Die Europäische Union (EU) verspricht ihren Bürger:innen viel, ist aber von ihren Zuständigkeiten her oftmals nicht in der Lage zu "liefern". Die EU sichert einen stabilen Euroraum (Art. 119 Abs. 2 AEUV) zu, kann diesen aber - wie die Erschütterungen im Zuge der weltweiten Finanzkrise im Jahre 2008 und die hiermit in Zusammenhang stehende Staatsschuldenkrise gezeigt haben - mangels wirtschafts- und fiskalpolitischer Kompetenzen nicht gewährleisten. Die EU verspricht den Bürger:innen Freizügigkeit ohne Grenzkontrollen in einem "Raum der Freiheit, der Sicherheit und des Rechts" (Art. 67 AEUV), kann diesen aber - wie die Grenzkontrollen im Zuge der Migrationskrise und der Sicherheitskrise nach den Terroranschlägen in Paris, Brüssel und Berlin deutlich machten - nicht garantieren. Die EU sagt weiterhin eine europäische Gesundheitspolitik (Art. 168 AEUV und Art. 35 Charta der Grundrechte der EU) zu, ist aber in einer europaweiten Pandemie auf die Koordinierung der Mitgliedstaaten beschränkt. In den Augen der Bürger:innen erscheint die EU damit als nicht handlungsfähig und verliert an Glaubwürdigkeit. Gleichwohl fehlt es an einem Konsens der Mitgliedstaaten im Hinblick auf die insoweit notwendigen Reformen der EU. Immer deutlicher wird, dass dieser Konsens eine Antwort auf die Frage voraussetzt, welche "Art" von EU die Mitgliedstaaten und ihre Bürger:innen wollen und welche Aufgaben diese wahrnehmen sollte. Vor diesem Hintergrund liegt es nicht fern, die Krisen der EU als Krisen des europäischen Konsenses über die Bereitstellung und Verwirklichung europäischer öffentlicher Güter zu verstehen. Im Rahmen der 2021 beginnenden Konferenz zur Zukunft Europas muss daher eine europäische Debatte über die Zukunftsperspektiven der EU geführt werden.
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